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Wie wirkt sich Diabetes auf Kinderwunsch und Schwangerschaft aus?

Wissenschaftliche Unterstützung: PD Dr. Sandra Hummel, Prof. Dr. Michael Hummel

Frauen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes können heute im Normalfall problemlos schwanger werden. Zwar gibt es bestimmte Risiken für Mutter und Kind. Diese lassen sich jedoch bei guter Planung stark reduzieren.

Für Frauen mit Diabetes und Kinderwunsch ist es ratsam, bereits vor einer Schwangerschaft die Blutzuckerwerte möglichst optimal in den Griff bekommen. Empfohlen wird ein HbA1c-Wert unter 7 Prozent oder – bei geringem Unterzuckerungsrisiko – sogar unter 6,5 Prozent.

Während der Schwangerschaft werden mittlere Blutzuckerwerte zwischen 90 und 110 mg/dl (5,0 mmol/l bis 6,1 mmol/l) angestrebt. Für die Planung und Betreuung während der Schwangerschaft sollte auf jeden Fall eine Diabetologin oder ein Diabetologe hinzugezogen werden.



1. Beeinflusst Diabetes die Fruchtbarkeit?

Im Normalfall wirkt sich Typ-1- oder Typ-2-Diabetes nicht negativ auf die Fruchtbarkeit der Frau aus. Hat eine Frau mit Diabetes Schwierigkeiten, schwanger zu werden, liegt oft eine zusätzliche Erkrankung vor, wie beispielsweise das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS). Diese hormonelle Erkrankung stört den weiblichen Zyklus und kann zur Unfruchtbarkeit führen.

Wenn PCOS mit Typ-2-Diabetes und Übergewicht einhergeht, kann eine Gewichtsreduktion bereits positive Effekte haben. Wenn ein normales Gewicht erreicht ist, normalisiert sich oft der Stoffwechsel und auch der Zyklus wieder.

Hinter einer Zeugungsunfähigkeit beim Mann kann ein unentdeckter bereits beginnender Typ-2-Diabetes (Prädiabetes) stecken. Obwohl nichts davon zu spüren ist, sind die Blutzuckerwerte erhöht. Nerven und Gefäße können in dieser Phase bereits geschädigt sein, was unter Umständen der Potenz schadet. Gut entgegensteuern lässt sich mit einem gesunden Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung.

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2. Vor der Schwangerschaft bei bestehendem Diabetes

Frauen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes sollten sich bereits zum Zeitpunkt des Kinderwunsches an ihr behandelndes Diabetes-Team wenden. Sind die Blutzuckerwerte nicht optimal eingestellt, steigt das Risiko für Fehlbildungen beim ungeborenen Kind an. Deswegen gilt es bei Diabetes, bereits vor der Schwangerschaft einige Werte genauer untersuchen zu lassen:

  • Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c-Wert)
  • Blutdruck
  • Blutfettwerte
  • Schilddrüsenwerte, um eine Über- oder Unterfunktion auszuschließen

Bei einer ungeplanten Schwangerschaft sollten Frauen mit Diabetes baldmöglichst ihre Ärztin oder ihren Arzt aufsuchen.

 

HbA1c-Wert

Der Blutzucker-Langzeitwert sollte 3 Monate vor der Empfängnis unter 7 Prozent (53 mmol/mol) liegen. Besteht kein erhöhtes Risiko für Unterzuckerungen, empfiehlt sich sogar ein noch niedrigerer Wert von unter 6,5 Prozent (47,5 mmol/mol).

 

Begleiterkrankungen und Vorsorgeuntersuchungen

Frauen mit Diabetes sollten sich außerdem vor Schwangerschaftsbeginn auf bereits bestehende Begleiterkrankungen untersuchen lassen.

Betroffen sein können zum Beispiel die Nieren oder die Netzhaut der Augen (diabetische Retinopathie). Auch auf einen Bluthochdruck ist zu achten. All dies kann sich in der Schwangerschaft verschlechtern und muss daher regelmäßig im Blick behalten werden. Augenärztliche Kontrollen sollten vor und während der Schwangerschaft sowie bis 12 Monate nach der Geburt durchgeführt werden. Frauen mit Diabetes und Bluthochdruck sollten bereits bei Kinderwunsch mit Medikamenten behandelt werden, die schwangerschaftsverträglich sind.

 

Nahrungsmittelergänzungen

Wie bei allen Frauen, die schwanger werden wollen, empfehlen Fachgesellschaften, bereits vor der Schwangerschaft Tabletten mit Folsäure einzunehmen. Beginnend mindestens 4 Wochen vor der Schwangerschaft und bis Abschluss der 12. Schwangerschaftswoche sollten täglich mindestens 0,4 Milligramm Folsäure (Folat) eingenommen werden.

 

Rauchen

Das Rauchen sollte für einen guten Schwangerschaftsverlauf und die Gesundheit des ungeborenen Kindes unbedingt eingestellt werden.

 

Ernährung und Bewegung

Darüber hinaus sollte der Behandlungsplan auch Empfehlungen für die Ernährung und Bewegung enthalten.

Empfohlen werden ungefähr 40-50 Prozent Kohlenhydrate (Ballaststoffe ca. 30g/Tag), 30-35 Prozent vor allem pflanzliches Fett und 20 Prozent Eiweiß, sowie ausreichend Mineralstoffe und Vitamine (Eisen, Folsäure, Vitamin D, Kalzium, Vitamin B, Magnesium, Jod).

Die Bewegung sollte mit der Schwangerschaft vereinbar sein, das heißt Kontakt- oder Kampfsport, beziehungsweise Sport mit hoher Sturz- oder Verletzungsgefahr sollte eher gemieden werden. Geeignet sind zum Beispiel zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen.

Therapieanpassungen vor der Schwangerschaft: Diabetes Typ 1

Vor Beginn der Schwangerschaft kann es sein, dass die Diabetes-Therapie angepasst werden muss. Es empfiehlt sich daher, mit der Diabetologin oder dem Diabetologen zu besprechen, ob die Umstellung auf ein anderes Insulinpräparat oder eine andere Therapie-Technik ratsam ist.

Wie für alle Schwangeren ist es auch für Frauen mit Diabetes wichtig, die Ernährung an die besonderen Kalorien- und Nährstoffbedarfe in der Schwangerschaft anzupassen.

Therapieanpassungen vor der Schwangerschaft: Diabetes Typ 2

Wie bei allen Medikamenten ist in der Schwangerschaft Vorsicht angeraten. Auch bei vielen blutzuckersenkenden Medikamenten liegen zu wenige Daten vor, ob diese für das ungeborene Kind sicher sind.

Bei Frauen mit Typ-2-Diabetes raten ärztliche Fachkräfte in der Regel zum Umstieg auf eine Insulintherapie. Es kommt die intensivierte Insulintherapie oder eine Insulinpumpe zum Einsatz. Damit lassen sich die Blutzuckerwerte meistens sehr gut einstellen und feinregulieren. Gerade während der Schwangerschaft und auch um die Geburt herum muss die Insulintherapie laufend an die wechselnden Erfordernisse wegen zum Teil erheblicher Veränderungen im Zuckerstoffwechsel angepasst werden. Außerdem ist die Insulintherapie nebenwirkungsarm.

Die Dosierung des Insulins ist nicht immer einfach. Zudem erzeugt die Umstellung oft Unsicherheiten. Deswegen sollten sich Frauen mit Typ-2-Diabetes das Spritzen und das damit verbundene Blutzuckermessen in einer Schulung zeigen lassen. Dort lernen sie auch den richtigen Umgang mit einem Insulinpen oder einer Insulinpumpe kennen. Die Kosten für die Schulung werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.

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Gut zu wissen:

In manchen Fällen reicht eine konsequente Lebensstiländerung mit viel Bewegung und gesunder Ernährung sogar aus, um die Zuckerwerte ohne Medikamente in den Griff zu bekommen. Viele Frauen mit Typ-2-Diabetes nehmen die Zeit der Schwangerschaft als Chance, sich mehr zu bewegen und gesünder zu ernähren – denn dem Kind zuliebe ist die Motivation zu dieser Zeit oft besonders hoch. Und schön ist auch, dass eine solche Lebensumstellung nicht nur dem Kind zugutekommt, sondern auch der mütterlichen Gesundheit. Einige Frauen mit Typ-2-Diabetes schaffen es auch nach der Geburt des Kindes, frei von Blutzuckersenkern zu bleiben.


3. Was ist während einer Schwangerschaft mit Diabetes zu beachten?

Frauen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes sollten in der Schwangerschaft folgende Blutzuckerwerte anstreben:

  • Vor dem Essen: 65-95 mg/dl (3,6-5,3 mmol/l)
  • 1 Stunde nach dem Essen: kleiner 140 mg/dl (kleiner 7,8 mmol/l)
  • 2 Stunden nach dem Essen: kleiner 120 mg/dl (kleiner 6,7 mmol/l)
  • Vor dem Schlafengehen (etwa 22-23 Uhr): 90-120 mg/dl (5,0-6,7 mmol/l)
  • Nachts (etwa 2-4 Uhr): größer 65 mg/dl (größer 3,6 mmol/l)

Der Schwangeren wird empfohlen, insgesamt mindestens 6-mal täglich ihren Blutzucker zu messen (je 1-mal vor jeder Mahlzeit und 1 Stunde danach). Der Mittelwert sollte dann zwischen 90 und 110 mg/dl (5,0 mmol/l bis 6,1 mmol/l) liegen. Grundsätzlich sollte allen Schwangeren mit intensivierter Insulintherapie bzw. Insulinpumpentherapie eine kontinuierliche Glukosemessung (CGM) angeboten werden.

Insulinbedarf während der Schwangerschaft

Der Blutzucker und damit der Insulinbedarf ändern sich im Verlauf der Schwangerschaft bis zur Entbindung unter dem Einfluss der Schwangerschaftshormone. Im 1. Schwangerschaftsdrittel sinkt der Insulinbedarf ab. Die werdende Mutter muss zunächst weniger Insulin spritzen, um Unterzuckerungen zu vermeiden. Dann, ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel, steigt der Insulinbedarf rapide an, um mit der Geburt wieder drastisch abzufallen.

Weil der Insulinbedarf sinkt, besteht im 1. Schwangerschaftsdrittel ein erhöhtes Risiko für Unterzuckerungen (Hypoglykämien), besonders nachts. Ein Sensor, welcher kontinuierlich den Gewebezucker (CGM) misst und bei zu niedrigen und zu hohen Werten einen Alarm gibt, kann während der Schwangerschaft daher besonders hilfreich sein. Wenn der Blutzucker lediglich „blutig“ gemessen wird, kann dieser zur Abschätzung des nächtliche Unterzuckerungsrisikos, gegen 23 Uhr gemessen werden: Bei einem Ergebnis kleiner 110 mg/dl (kleiner 6,1 mmol/l) steigt das Risiko an.

Schwangere Frauen mit Diabetes sollten in jedem Fall ihr Umfeld und den Partner darüber informieren, was im Falle einer schweren Unterzuckerung zu tun ist.

Die Ketoazidose (Blutübersäuerung durch Insulinmangel) bei diabetischer Schwangerschaft ist eine Notfallsituation. Die werdende Mutter sollte mit ihrer diabetischen Fachkraft besprechen, ab welcher Blutzuckerhöhe sie nicht nur den Blutzucker, sondern auch Aceton im Urin oder Blut messen muss. Dann greifen entsprechende Verhaltensregeln. 

Was im Notfall zu tun ist, lesen Sie hier.

Gut zu wissen:

Im Vergleich zum 1. Schwangerschaftsdrittel steigt der Insulinbedarf im 2. Schwangerschaftsdrittel um zirka 50 Prozent und im letzten Schwangerschaftsdrittel um bis zu 70 bis 100 Prozent an. Mit der Geburt sinkt der Insulinbedarf dann wieder drastisch.

Nahrungsmittelergänzungen

Zusätzlich zu den Folsäure-Tabletten wird während der Schwangerschaft eine tägliche Einnahme von 0,1 bis 0,15 mg (100 bis 150 μg) Jod und eine jodhaltige Ernährung empfohlen. Ziel ist es, das ungeborene Kind ausreichend mit Jod zu versorgen und Schilddrüsenkomplikationen vorzubeugen. Bei Schilddrüsenerkrankungen soll vor der Supplementierung eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt beziehungsweise der behandelnden Ärztin erfolgen.

Technische Hilfsmittel während der Schwangerschaft

Heutzutage kommen für die Blutzuckermessung sehr häufig CGM-Systeme zum Einsatz. Das sind Mess-Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung. Sie messen den Zuckerwert im Unterhautfettgewebe und tragen zur besseren Steuerbarkeit der Insulintherapie bei. Individuell einstellbare Alarmfunktionen ermöglichen außerdem ein frühzeitiges Erkennen von Unter- und Überzuckerungen.

Frauen mit Diabetes stellen ihren Blutzucker während der Schwangerschaft in aller Regel über eine Insulintherapie ein. Dabei kommen meistens ein Insulinpen oder eine Insulinpumpe zum Einsatz. Bei der Insulinpumpe ist das kleine Gerät über einen Schlauch mit einem Katheter am Körper verbunden. Der Katheter, der oft am Bauch liegt, kann auch während der Schwangerschaft dort platziert werden. Da zwischen der Bauchdecke und der Gebärmutter sehr viel Platz ist, stört der Katheter hier nicht. Ist für die Geburt ein Kaiserschnitt notwendig, lässt sich der Katheter für die Zeit des Eingriffs beispielsweise auch am Oberschenkel platzieren.

Insulinpen

Insulinpumpe

Die modernste Form der Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes ist das hybride Closed-Loop-System (oder AID-System). Dabei handelt es sich um eine Insulinpumpe, die mit einem kontinuierlichen Gewebezuckermessgerät (CGM) gekoppelt ist. In Deutschland sind bereits mehrere hybride Closed-Loop-Systeme verfügbar, die unter bestimmten Voraussetzungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.

Zur Anwendung hybrider Closed-Loop-Systeme während der Schwangerschaft laufen derzeit Untersuchungen. Für den Einsatz während der Schwangerschaft offiziell zugelassen sind hierzulande nur wenige Systeme. Einen aktuellen Überblick über verfügbare AID-Systeme und Steckbriefe hierzu finden Sie auf der Webseite des AG Diabetes und Technologie. In den Steckbriefen steht, wenn ein Gerät bei einer Schwangerschaft zugelassen ist.


4. Welche wichtigen Untersuchungen sollten wahrgenommen werden?

Für eine gute ärztliche Betreuung bei Typ-1- oder Typ-2-Diabetes in der Schwangerschaft sollten unter anderem folgende Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden:

  • Die Mutterschaftsrichtlinien sehen 3 Ultraschalluntersuchungen vor, die durch Zusatzuntersuchungen ergänzt werden können: 8. bis 12., 11. bis 14. und 28. bis 32. Schwangerschaftswoche. Ab der 24. Schwangerschaftswoche sind alle 2 bis 4 Wochen Ultraschalluntersuchungen zur Kontrolle vorgesehen. Bei Auffälligkeiten auch häufiger.
  • Zwischen der 19. und 22. Schwangerschaftswoche ist eine Ultraschall-Feinuntersuchung der kindlichen Organe möglich.
  • Im Abstand von 4 bis 6 Wochen sollte der Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c-Wert) untersucht werden.
  • Vor der Schwangerschaft, in den ersten Wochen der Schwangerschaft und anschließend alle 3 Monate bis zur Geburt sowie bis zu 12 Monate nach der Geburt wird eine augenärztliche Untersuchung auf Netzhautschäden (diabetische Retinopathie) empfohlen. Bei bereits diagnostizierter Retinopathie oder Neuerkrankung werden durch die Augenärztin oder den Augenarzt individuelle Kontrollen vereinbart.
  • Nach der 20. Schwangerschaftswoche sollte der Blutdruck regelmäßig überprüft werden, je nach Beschwerden oder Krankheitsanzeichen entsprechend früher. Das Risiko für Bluthochdruck ist bei bereits länger bestehendem Diabetes erhöht. Auch die Eiweißausscheidung im Urin sollte überwacht werden.
  • Alle 4 bis 6 Wochen sind Kontrollen der Schilddrüsenwerte erforderlich.
  • Vor der Entbindung wird die Schätzung des Geburtsgewichts empfohlen.

Berufstätigkeit während der Schwangerschaft

Das Mutterschutzgesetz sieht einige Wochen vor bis nach der Geburt ein Beschäftigungsverbot für alle schwangere Frauen vor. In der restlichen Zeit können Schwangere unabhängig von einer zugrundeliegenden Diabeteserkrankung ihrer beruflichen Tätigkeit in der Regel problemlos nachgehen. Allerdings kann ein individuelles Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft auch außerhalb der üblichen Frist greifen, wenn die ausgeübte Tätigkeit das Leben oder die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet. Während des Beschäftigungsverbots erhält die Schwangere eine Lohnfortzahlung in voller Höhe.


5. Welche Risiken für Mutter und Kind gibt es?

Welche Risiken bestehen für die Mutter?

Ist der Blutzucker im Verlauf der Schwangerschaft zu hoch, kann das Kind zu groß und zu schwer (Geburtsgewicht über 4.500 Gramm) werden. Dies kann bei der Geburt zu Komplikationen oder Kaiserschnitt-Entbindungen führen.

Diabetesbedingte Folgeerkrankungen, zum Beispiel an Augen, Nieren oder Nerven, können sich während der Schwangerschaft verschlechtern und müssen deswegen regelmäßig kontrolliert und rechtzeitig behandelt werden. Die Kontrollen sollten vor, während und auch bis zu einem Jahr nach der Schwangerschaft engmaschig durchgeführt werden.

Bei Schwangeren mit Diabetes kommt es häufiger zu Infektionen der Geschlechts- und Harnorgane, was zu Frühgeburten führen kann. Daher werden auch hier regelmäßige Kontrollen empfohlen.

Im späteren Verlauf der Schwangerschaft kann Bluthochdruck entstehen. In diesem Fall kann der Blutdruck auch täglich selbst kontrolliert werden.

Schwerwiegend ist vor allem die sogenannte Präeklampsie, auch Gestose oder Schwangerschaftsvergiftung genannt. Sie ist gekennzeichnet durch zu hohe Blutdruckwerte (Hypertonie) und eine vermehrte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin (Proteinurie). Die Eklampsie, die schwerste Ausprägung der Gestose, ist eine sehr ernstzunehmende Notfallsituation, die sofort im Krankenhaus behandelt werden muss. Um einer Präeklampsie vorzubeugen, sollte mit der Ärztin oder dem Arzt die Einnahme von niedrig-dosiertem Aspirin (150mg/Tag) besprochen werden. Die Einnahme erfolgt in der Regel bis zur 35. Schwangerschaftswoche und wird danach abgesetzt.

Gut zu wissen:

Insbesondere bei Frauen mit Typ-1-Diabetes kann es im 1. Schwangerschaftsdrittel und besonders auch nachts zu Unterzuckerungen kommen. Daher muss die Behandlung eventuell vorübergehend verändert oder entsprechend angepasst werden. Später in der Schwangerschaft wird der Blutzucker stabiler und das Risiko sinkt wieder.

Welche Risiken bestehen für das Kind?

Die inneren Organe des Kindes entwickeln sich in der ersten Zeit der Schwangerschaft. Sind die Blutzuckerwerte vor und während der Schwangerschaft nicht optimal eingestellt, kann es zu Fehlbildungen vor allem an Herz, Nervensystem und Lunge kommen. Auch Fehl- und Frühgeburten sind möglich. Das Frühgeburtenrisiko (Geburt vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche) ist bei Müttern mit Diabetes durchschnittlich fast 5-fach erhöht. Diese Risiken lassen sich allerdings durch gezielte Beratung, eine gute Stoffwechseleinstellung und Blutzuckerselbstkontrollen deutlich reduzieren.

Weitere typische Anpassungsprobleme beim Kind, die direkt nach der Geburt beobachtet werden, sind unter anderem eine Neigung zu Unterzuckerungen (Hypoglykämien), eine Neigung zur Neugeborenen-Gelbsucht (Hyperbilirubinämie) sowie Probleme mit der Atmung.

Gut zu wissen:

Neben der Einnahme von Folsäure bis zum Abschluss der 12. Schwangerschaftswoche und der ausreichenden Zufuhr von Jod ist auch eine ausreichende Versorgung mit Schilddrüsenhormon wichtig für die Entwicklung des noch ungeborenen Kindes. Die Werte der Schilddrüsenhormone sollten daher bei der Mutter regelmäßig kontrolliert werden. Im Bedarfsfall verordnet die Ärztin oder der Arzt ein Schilddrüsenersatzhormon.

Risiko der Nachkommen, an Diabetes zu erkranken

Später entwickeln etwa 3 von 100 Kinder von Müttern mit Typ-1-Diabetes auch einen Typ-1-Diabetes, da die Erkrankung zum Teil genetisch bedingt ist. Hier lesen Sie, wie hoch das Vererbungsrisiko ist, wenn der Vater, beide Elternteile oder Geschwister einen Typ-1-Diabetes haben.

Zum Risiko einer Diabeteserkrankung bei Nachkommen von Müttern mit Typ-2-Diabetes sind keine konkreten Zahlen bekannt. Das Risiko für eine Typ-2-Diabeteserkrankung bei den Nachkommen hängt auch wesentlich von den Lebensstilbedingungen ab (Ernährung, Bewegung, Normal- oder Übergewicht).


6. Wie verläuft die Geburt bei Frauen mit Diabetes?

Werdenden Müttern mit Diabetes wird empfohlen, ihr Kind in einem sogenannten Perinatalzentrum (mindestens Level 2) zu entbinden. Diese Kliniken sind auf Risikoschwangerschaften und Frühgeburten spezialisiert. Sie haben eine Kinderklinik mit einer Neugeborenen-Intensivstation und sind darauf eingerichtet, Mutter und Kind medizinisch umfassend zu versorgen. Neugeborene können so im Notfall schnell vor Ort behandelt werden. Ein Beispiel wäre die intravenöse Gabe von Glukose bei Unterzuckerung des Neugeborenen.

Die Zuckerwerte der Mutter sollten bei Einsetzen der Geburt zwischen 90 und 126 mg/dl (5,0-7,2 mmol/l) liegen. Eine Unterzuckerung der Mutter kann zum Nachlassen der Wehentätigkeit führen. Die Blutzuckerwerte sollten während der Geburt 1- bis 2-stündlich kontrolliert und bei Bedarf korrigiert werden. Bei der Geburt wird nur kurzwirksames Insulin verabreicht.

Setzen die Wehen so früh ein, dass eine Behandlung zur Wehenhemmung erforderlich ist, muss der Blutzuckerwert ebenfalls streng im Auge behalten werden. Einige Medikamente können den Stoffwechsel ungünstig beeinflussen.

Gut zu wissen:

Die Entbindung aller Schwangeren mit Diabetes sollte in einem Perinatalzentrum geplant werden.


7. Was passiert nach der Geburt?

Mutter und Kind müssen nach der Geburt gut überwacht werden. Nach der Geburt sinkt der Insulinbedarf der Mutter abrupt ab, wodurch das Risiko für eine Unterzuckerung steigt. Der Insulinbedarf muss individuell neu angepasst werden. Als Orientierung dient der Insulinbedarf vor der Schwangerschaft. Der Blutzucker sollte mindestens alle 4 bis 6 Stunden kontrolliert werden, auch nachts.

Wenn die Milchproduktion einsetzt, fällt der Insulinbedarf oft weiter ab und muss entsprechend angepasst werden. Auch auf eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr während des Tages ist zu achten, um nächtliche Unterzuckerungen während oder nach dem Stillen zu vermeiden.

Um Unterzuckerungen bei Kindern diabetischer Mütter zu verhindern, wird der Blutzuckerspiegel des Säuglings auch im weiteren Verlauf überwacht. Das 1. Mal erfolgt die Messung bereits 1 bis 2 Stunden nach der Geburt. Daneben ist es wichtig, auf mögliche Anzeichen für eine Unterzuckerung zu achten.

Mehr zum Thema Unterzuckerung finden Sie hier!

Stillen bei Diabetes

Kinder von Müttern mit Diabetes sollten, wie andere Kinder auch, gestillt und geimpft werden. Das Risiko, dass die Kinder später Übergewicht oder Typ-2-Diabetes entwickeln, wird durch das Stillen reduziert. Tatsächlich stillen jedoch Mütter mit Diabetes deutlich seltener und für kürzere Dauer im Vergleich zu nicht-diabetischen Müttern. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass Mütter mit Diabetes erfolgreicher stillen, wenn sie bereits vor der Geburt an einem Stillvorbereitungskurs teilgenommen haben.

Das Neugeborene sollte, wenn möglich, schon 30 Minuten nach der Geburt zum Stillen angelegt werden, danach alle 2 bis 3 Stunden. Dies stabilisiert nachweislich den Blutzuckerspiegel des Neugeborenen und beugt Unterzuckerungen vor. Stillen kann außerdem auch die Diabeteseinstellung der Mutter verbessern.

Gut zu wissen:

Stillende Frauen mit Typ-2-Diabetes sollten keine blutzuckersenkenden Medikamente einnehmen. Können die Blutzucker-Werte durch eine Ernährungsumstellung nicht verbessert werden, kommt weiterhin Insulin zum Einsatz.

diabinfo-Podcast Schwangerschaft bei bestehendem Diabetes (Teil 1) (Prof. Dr. Ute Schäfer-Graf)

Schwangerschaft bei bestehendem Diabetes (Teil 2) (Prof. Dr. Ute Schäfer-Graf)

In diesen 2 Podcast-Folgen sprechen wir mit der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Prof. Dr. Ute Schäfer-Graf. Wir klären unter anderen, warum die Planung einer Schwangerschaft bei Diabetes so wichtig ist und wie die Therapie während dieser besonderen Zeit bestmöglich angepasst wird.

Quellen:

Benhalima, K. et al.: Management of type 1 diabetes in pregnancy: update on lifestyle, pharmacological treatment, and novel technologies for achieving glycaemic targets. In: The Lancet Diabetes Endocrinol, 2023, 11: 490-508
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Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG): S2e-Leitlinie Diabetes in der Schwangerschaft. 3. Auflage. 2021
Dingena, C.F, et al.: Nutritional and Exercise-Focused Lifestyle Interventions and Glycemic Control in Women with Diabetes in Pregnancy: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Clinical Trials. In: Nutrients, 2023, 15: 323
ElSayed, N.A. et al.: 15. Management of Diabetes in Pregnancy: Standards of Care in Diabetes-2023. In: Diabetes Care, 2023, 46 (Suppl 1): S254-S266
Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e.V. (GNPI): S2k-Leitlinie Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter. 4. Auflage. 2017
Gesund ins Leben: Handlungsempfehlungen. Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft. (Letzter Abruf: 24.01.2024)
Hopkins, L. et al.: Interventions to enhance pre-pregnancy care for women with type 2 diabetes: A systematic review of the literature. In: Diabet Med, 2023, 8: e15105
Jaffar, F. et al.: Type 1 Diabetes in Pregnancy: A Review of Complications and Management. In: Curr Diabetes Rev, 2022, 7: e051121197761
Kleinwechter, H. et al.: Diabetes mellitus und Schwangerschaft. In: Dtsch Med Wochenschr, 2023, 148: 26-34
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Stand: 17.06.2024